Wenn ich unterwegs bin und kein selbstgemachtes Eis genießen kann, probiere ich gerne neue Eisdielen aus. Aber es sollten schon Eisdielen sein, die ihr Handwerk lieben und verstehen und qualitativ hochwertige Zutaten verwenden sowie originelle Sorten anbieten.
Eine Weile habe ich versucht, die Eisdielen in meiner Umgebung mit den höchsten Bewertungen bei Google Maps zu besuchen. Leider musste ich bald feststellen, dass ich allein anhand der Durchschnittsbewertung nicht garantieren konnte, dass die Eisdiele auch meine hohen Ansprüche erfüllt.
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Kostproben vieler origineller Eissorten
Ich habe mir dieses Phänomen jetzt einige Jahre intensiver angeschaut und kann euch deshalb heute erklären, warum ihr euch nicht (allein) auf die Bewertungen verlassen solltet, wenn ihr eine gute Eisdiele aussuchen wollt.
Fangen wir mit einem Praxisbeispiel an:
In welche der beiden hier erst mal anonym beschriebenen Eisdielen würdest ihr lieber gehen, wenn ihr hohe Eisqualität haben wollt?
Eiscafé A:
„Ich liebe dieses Eiscafe. Alle sind immer gut gelaunt und freundlich. Und der Kaffee ist super, genau wie das Eis und die Crepes und die Waffeln“ (5 Sterne)
„Super nette Leute ‚der Inhaber ist sehr nett, das Eis schmeckt sehr lecker ![👍]()
![👍]()
“ (5 Sterne)
„Gut erreichbar , freundliche Bedienung Gemütliches Cafe“ (5 Sterne)
oder in die Eisdiele B:
„Das Eis ist sehr teuer und die Geschmacksrichtungen gewöhnungsbedürftig. Oft muss man im Sommer 10min anstehen. Ich würde hier nicht nochmal Eis essen“ (2 Sterne)
„Absoluter Wucher und overhyped bis zum geht nicht mehr! 1,80 EUR für eine Kugel und es schmeckt nicht wirklich toll. Eher, wie ein normales Eis.“ (1 Stern)
„Bedienung war unfreundlich, Eis war nichts Besonderes! Ich persönlich nicht mehr!!“ (2 Sterne)
Ihr vermutet vielleicht, dass es eine Falle ist und richtig: Definitiv das bessere Eis gibt es in Eisdiele B. Die Zitate sind echte, wenn auch ausgewählte, Rezensionen auf Google Maps für die Berliner Eisdiele „Hokey Pokey“, eine meiner Favoriten in der Hauptstadt.
Eiscafé A ist in der Nähe meiner Wohnung in Köln, die anonym bleiben soll. Dort komme ich regelmäßig vorbei und erkenne anhand der Sortenauswahl und Bezeichnungen, dass sie nur mit MEC3-Fertigprodukten arbeiten. Das ist nicht schlecht, aber eben nur Durchschnitt und nicht originell.
Insgesamt hat das Eiscafé bei Google Maps jedoch 4,6 Sterne, Hokey Pokey 4,7 Sterne, obwohl die Eisqualität um Welten besser ist bei letzterer.
Woran liegt das?
Meiner Ansicht nach gibt es ein grobes Muster, was sich bei vielen Eisdielen beobachten lässt:
Fangen wir mit der durchschnittlichen „Standardeisdiele“ an, welche die 8–16 klassischen Sorten vorrätig hat und Fertigmixe und -Pasten verwendet:
Wenn es draußen warm ist und den Leuten warm ist, schmeckt ein Eis immer. Es ist kalt und süß, es schmeckt „lecker“. Genauere Geschmacksnuancierungen sind in der Beschreibung kaum zu finden.
In der Regel haben die Leute ihre Stamm-Eisdiele, zu der sie meistens gehen, weil sie eben in der Nähe des Wohnorts liegt. Nur wenige Leute fahren paar Bahnstationen oder gar noch weiter, nur um bewusst eine richtig gute Eisdiele anzusteuern.
Weil sie die Eisdiele regelmäßig aufsuchen, ist das Personal natürlich freundlicher, „man kennt sich“, kommt auch mal vorbei, wenn keine Stoßzeit ist und der Inhaber Zeit für ein Pläuschchen hat, die Kinder kriegen vielleicht regelmäßig einen Keks oder eine Waffel zugesteckt und alle freuen sich.
Diese Kriterien spiegeln sich auch in den oben ausgesuchten Rezensionen für das Eiscafé A wieder, ohne dass ich lange gesucht hätte: Lecker, freundlich, gut erreichbar. Auffällig ist, dass gute Bewertungen auch für den Kaffee oder die Crêpes abgeben werden, die mir einen falschen Eindruck vermitteln könnten, wenn ich auf der Suche nach gutem Eis bin.
Andersrum sieht es in der guten Eisdiele aus, wo die Zutaten frisch sind, die Sorten originell und die Herstellung aufwändiger.
Hohe Preise sind üblicherweise ein Kriterium für gute Eisdielen, wenn sie nicht gerade in einer Touristen-Hochburg, am Hauptbahnhof oder m Flughafen liegen. Denn gute Zutaten kosten Geld. Wenn in einer Eisdiele das „Pistazieneis“ oder das „Champagnereis“ mehr kostet als andere Sorten, ist das ein fast untrügliches Zeichen für Qualität.
Diese hohen Preise sind dann aber der Grund für schlechte Sterne-Bewertungen von Leuten, die den „eine Kugel ein Euro“-Preis ihrer Stamm-Eisdiele als Referenz im Kopf haben.
Dazu kommt, dass richtig gute Eisdielen häufiger in Reiseführern, auf „Insider-Listen“ und so weiter erwähnt werden, was dazu führt, dass die Wartezeiten länger sind als bei typischen Eisdielen. Beim erwähnten Hokey Pokey gibt es sogar ausführliche Hinweisschilder, in welche Richtungen sich die Schlange zu welcher Uhrzeit anstellen soll und ab wo der Bürgersteig freigehalten werden muss und so weiter.
Na ja, und dass die Verkäufer bei diesem Andrang leider wenig Zeit für Smalltalk haben, liegt dann auf der Hand. Der Eisgeschmack wird dann aus Frust leider gleich mit abgewertet. Alles schön nachzulesen in der obigen Rezensionsauswahl: Teuer, Wartezeit, unfreundlich.
So gleichen sich leider oft die Rezensionen an. Wer also nur nach Bewertung geht, landet vielleicht in einer freundlichen Eisdiele, wo aber nur Standardqualität angeboten wird.
Ich persönlich nehme aber lieber Wartezeit und Anfahrtsweg in Kauf und gebe mehr Geld aus, um gutes Eis zu essen. Deshalb empfiehlt es sich, die Rezensionen zu überfliegen nach den Kriterien Preis, Wartezeit und Freundlichkeit. Wenn die Eisdiele eine Webseite hat, kann man ggf. auch schon einschätzen, welche Werte sich die Eisdiele zum Ziel gesetzt hat.
Jetzt wo ihr etwas geschult seid, noch eine Auswahl von schlechten Rezensionen richtig guter Eisdielen:
„Der Eisladen mit zwei verschiedenen Preisen für die Eiskugeln ist für den Käufer recht verwirrend. Wenn man dieses Geschäftsmodell moniert, wird man vom Verkaufspersonal gefragt, wie sie es denn besser machen sollen? So macht Eiskaufen keinen Spaß und ist deshalb nicht empfehlenswert!“ (1 Stern für Marille & Vanille in Berlin)
„Eis ist nicht empfehlenswert 1,40 kleine Kugel daher überteuert.“ (1 Stern für Il Gelato die Ferigo in Köln)
„Leider kann ich mich der großen Euphorie nicht anschließen. Meines Erachtens ist das Eis mittelmäßig und sehr sehr teuer. Mehrere Male wurde ich unwirsch vom „verrückten“ Personal angeredet. Anscheinend wird Distanzlosigkeit mittlerweile als „witzig verrückt“ angesehen. Zudem störe ich mich an dem Tag und Nacht laufenden Fernseher im Schaufenster. Solch eine Ressourcenverschwendung kann ich heutzutage nicht verstehen. Was die Einrichtung und Stühle draußen angeht: Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten…“ (1 Stern für Der verrückte Eismacher in München)
„Zum ersten Mal heute bei Luicella’s gewesen, und auch das letzte Mal. 1,60 € für eine wirklich nicht große Kugel Eiscreme. Ich weiß nicht, ob die Ladenmiete durch diese Preisansetzung refinanziert werden muss. Aber, gelinde gesagt, ist das eine absolute Frechheit. Ihr nehmt es von den Lebenden. Leider rechtfertigt auch die Qualität des Eis oder der erlebte Service in keiner Weise diesen Preis. Vanille, welches neben Schokolade die einzige „pure“ Eissorte war, war nicht cremig, sondern war mit Eiskristallen durchzogen und es wurde sehr an der Vanille gespart, natürlich oder nicht… Die eine Servicekraft tat ihr übriges. Obwohl die Saison vielleicht gerade erst losgegangen ist Anfang April und die Kundenschlange bis auf die Straße gegangen ist, wurden die Kunden unentspannt und schroff mit einem „freundlichen“ ‘ Der Nächste‘ aufgerufen. Alles in allem, eher bis sehr enttäuschend. Vielleicht sollte man nicht jeden Tag oder jede Woche eine neue Sorte anbieten, sondern klassische oder anscheinend langweilige Sorten anständig und qualitativ besser machen. “ (2 Sterne für Luicella’s in Hamburg)
Ich hoffe, ihr könnt bei eurer nächsten Suche nach guten Eisdielen damit etwas anfangen.
Bald gibt es auch einen Artikel, woran ihr gute Eisdielen erkennt, wenn ihr schon vor der Eistheke steht.
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